Highlands am Hopfensee

„Ich verstehe nicht, weshalb man so viel Wesen um die Technik des Komödienschreibens macht. Man braucht doch nur die Feder in ein Whisky-Glas zu tauchen!“ (Oscar Wilde)

Der Heilige Magnus hat den Drachen von Roßhaupten besiegt, während das Ungeheuer von Loch Ness immer noch Schlagzeilen macht. Wer glaubt, dass im Ostallgäu nur Bier getrunken wird, irrt: Die Highlands rund um den Hopfensee bis hinein nach Tirol haben sich zur heimlichen Hochburg für flüssiges Gold im Glas entwickelt. König-Ludwigs Neuschwanstein ist jetzt Wahrzeichen des Whisky-Brennpunkts Füssen. Und das nicht nur wegen der vielen Japaner. 

Wie auf der Insel - auch Iren und Schotten fühlen sich in der "Vitushöhle" wohl

Auch Iren und Schotten fühlen sich in der „Vitushöhle“ wohl

Die New Yorker Nielsen Company stellt im Verbrauchercheck für Deutschland und Österreich fest, dass viel weniger hochprozentige Spirituosen getrunken werden. Die Zahl der im Handel abgesetzten Schnaps-Flaschen geht zurück, der Umsatz aber steigt. Das heißt: der Trend geht zur Qualität. Zum Modegetränk sind nach Aquavit, Martini oder Sherry in den letzten Jahren edle Whisky-Sorten gereift, aus den klassischen Herkunftsländern Irland und Schottland, aber auch aus den USA, aus Japan und – man höre und staune – aus Deutschland. Whisky erlebt auch im Allgäu zurzeit einen Hype.

„Koval“ ist Weißer Whisky, bio, koscher und vegan; von Robert Birnecker, ein Österreicher in Chicago. Der ideale Einsteigerwhisky. Schmeckt wie kräftiger Korn, ohne rauchige, torfige Noten. „Ideal für den Beginn einer Verkostung!“ (Isabel Schmidt, „Vitushöhle“).

Vorsichtiges Heranschmecken

Vorsichtiges Heranschmecken

Weisshaus-Shop: 1200 Sorten Whisky
„Whisky war immer ein Thema, hat aber neben Stroh-Rum und Obstler keine große Rolle gespielt“, erzählt der 32-jährige Andreas Osler, der mit seiner 28 Jahre jungen Frau Carla, die er an der Universität in Innsbruck kennengelernt hat, den strategisch günstig gelegenen Weisshaus-Shop direkt an der Tiroler Landesgrenze bei Pinswang zu einem Hotspot für Whisky-Kenner gemacht hat.

Annemarie und Josef Osler führen den Laden und die zertifizierten Edelbrand-Sommeliers Carla und Andreas kümmern sich um den boomenden Online-Handel. Hatte man 2008 noch hundert Whisky-Sorten auf Lager, so sind es heute 1200, aus Schottland, aber auch aus allen anderen Herkunftsländern. Und die Zahl der Kunden ist von 12.000 auf 70.000 gestiegen. Das Weisshaus ist jetzt der größte Spirituosen-Fachhändler in Österreich.

Der Nationalheilige St. Patrick brachte im 5. Jahrhundert bei der Christianisierung der Kelten das „Lebenswasser“ nach Irland, eine klare, aus Getreide gebrannte Flüssigkeit. Schon in frühen Klöstern der Grünen Insel wurde fleißig destilliert. In Schottland wurde das gälische „uisghe beatha“ erstmals 1494 erwähnt. Auswanderer nahmen Whisky im 17. Jahrhundert mit nach Amerika.

Der Kenner und Genießer

Der Kenner und Genießer

„Benromach“ – Spyside Reserve Single Malt von 2008; blumig, mit feinem Holz-Aroma, schmeckt fast wie eine überreife Banane. Einzigartige Kombination mit fruchtigem Charakter.

Aus Whisky ist eine Wissenschaft geworden
Ein zwanzig Jahre alter Single-Malt wird in Gold aufgewogen. Die lange Jahre am Existenzminimum tröpfelnden Traditions-Destillen in den Schottischen Highlands nutzen den Auftrieb und meinen, dass nur ein verkaufter Whisky ein guter Whisky ist. Und so sind die NAS aus dem Boden geschossen, neue Sorten mit „No Age Statement“, die statt preistreibender Altersangaben Phantasienamen tragen.

In kleinen Schlucken Hochprozentiges genießen...

In kleinen Schlucken Hochprozentiges genießen…

Whisky-Experten stehen hinter Weinkennern nicht zurück. Wissen ist Macht. Und Geld. Im Weisshaus-Shop Pinswang kann man € 20,- für die Flasche Scotch bezahlen oder aber auch € 7.500,-. Und die teuersten Sorten gehen oft am schnellsten weg, schmunzelt Andreas Osler: Als 2015 erstmals ein japanisches Produkt zum besten Whisky des Jahres gekürt wurde, der „Single Malt Sherry Cask“ der Yamazaki-Brennerei aus der Nähe von Kyoto, der „Schottenschocker“ wie „Spiegel-Online“ titelte, „waren sämtliche japanischen Whiskys innerhalb von zwei Wochen ausverkauft!“

Es ist nur ein Buchstabe, dennoch liegen (geschmackliche) Welten dazwischen. Schottische Destillationen schreiben Whisky ohne „e“, Whiskey steht auf Produkten aus Irland und USA. Ausnahme sind japanische Whiskys, denn diese teilen sich die Schreibvariante ohne „e“ mit den Schotten. Den eigentlichen Unterschied macht die verwendete Getreideart aus: Während in Schottland Gerste zur Produktion von Whisky benutzt wird, greifen nordamerikanische Destillerien beim Bourbon auf Roggen, Mais und Weizen zurück.

Guter Whisky schimmert wie Gold

Guter Whisky schimmert wie Gold

Gordon Sinclair und die „Vitushöhle“
Wer die besondere Atmosphäre eines Pubs mag, massive Tische, den Tresen als Treffpunkt, TV-Fußball nonstop, Dartscheiben und Bier von den Inseln, der fährt an den Hopfensee! Da gibt‘s Riesen-Burger mit Bergen von Pommes und eine Whisky-Karte, so dick wie das Telefonbuch von Füssen. Kenner kehren in der „Vitushöhle“ ein, dem Pub von Isabel Schmidt und Philipp Guggomos. Wem das nicht britisch genug klingt: Der Schotte Gordon Sinclair bedient oft im Kilt, dem hinten aufwändig gefalteten, klassischen Wickelrock.

Gordon’s Favorit ist ohne Wenn und Aber ein 45,8 prozentiger „Talisker“ Dark Storm von der Isle of Sky, bernsteinfarben, gut im Rauch, für € 5,70 für 2 cl. Nicht übel. Kann man trinken!!

Im Herzen von Hopfen am See, gleich hinter der Seepromenade, ist mit dem Hotel „Vitusfort“ und dem Pub „Vitushöhle“ ein Stück Schottisch-Irischer Lebensart entstanden. Die 32-jährige „Chefin“ stammt aus Roßhaupten. Sie hat weltweit in Vier- und Fünfsterne-Hotels gearbeitet und ist aus Singapur heimgekehrt, wo sie zuletzt als freie Sommelière Gäste mit feinen Weinen verwöhnte. Schon an der Österreichischen Weinakademie war Whisky Prüfungsfach.

"Cheers" - auf einen schönen Abend

„Cheers“ – auf einen schönen Abend

Oft gibt es Live-Musik in der „Vitushöhle“, z. B. von den „Claymore Pipes and Drums“, die für „Game of the Thrones“ den Background gespielt haben. Das „Vitusfort“, die Clan-Festung in den Highlands am Hopfensee, von Isabel Schmidt geplant und gestaltet, war ein Allgäuer Bauernhof, das Elternhaus von Philipp Guggomos, der die Whisky-Leidenschaft mit seiner Lebensgefährtin teilt.

Isabel  hockt sich gern mit an den Tisch und berät den Gast, der vielleicht darüber erstaunt ist, dass Whisky bis zu einer Fassstärke von 61 Prozent(!) ausgeschenkt wird. Und dass ihn Kenner Tropfen für Tropfen mit Wasser verdünnen, wobei minimale Veränderungen wahre Geschmacksexplosionen bewirken können. Man sollte nicht mit dem rauchigsten, torfigsten anfangen, sondern sich vortasten. „Whisky muss zum Gast passen“, meint die Expertin. Es sei mit dem „flüssigen Gold“ so wie mit den Menschen auch: „Mit manchen muss man sich etwas mehr beschäftigen, aber sie sind es wert!“

Sonderedition „Balechin“ aus der rauchigen Abfüllreihe der Destille Edradour, kleinste Destille Schottlands. In Süßweinfässern gelagert, 46 Prozent. Er trifft scharf auf den Gaumen, sticht in der Nase.

Schottische Whiskys teilt man in zwei Typen auf: Blended und Malt. Bis zu 50 verschiedene Sorten können in einem Blend enthalten sein. Single-Malts dagegen stammen aus nur einer Brennerei. Der Geschmack kann von Jahr zu Jahr variieren. Obwohl sie nur zehn Prozent der Whisky-Produktion Schottlands ausmachen, ist die Vielfalt an Single-Malts endlos. Zur Lagerung und Aromabildung werden Portwein-, Sherry-, Madeira- oder Burgunderfässer benutzt.

Und welcher Tropfen darf's jetzt noch sein?

Und welcher Tropfen darf’s jetzt noch sein?

Whisky Selberbrennen an der Genuss-Akademie
Irischem Whiskey, ohne Torf gemälzt, fehlt die rauchige Note, die für den Scotch so typisch ist. Während in Schottland der Whisky doppelt destilliert wird, verwendet man in Irland einen dreistufigen Brennvorgang. Das führt zu sehr malzigen und milden Whiskeys.

„Tullamore Dew“ aus Midleton, zwölf Jahre gelagert, ein eher milder, nur sanft rauchiger Blend mit komplexem Aroma aus Gewürzen, Weintrauben, Nüssen und Zitrus. Fruchtsüßer Abgang.

Selbst Brotbacken oder selbst Bierbrauen, das ist im Allgäu oftmals selbstverständlich. Wie man Whisky brennt, lehrt der Biersommelier und Dipl.-Ingenieur für das Brauwesen Andreas Heiß aus Pfronten in der Genuss-Akademie in Vils, der kleinsten Stadt Tirols.

Die zwanzig Kursteilnehmer kommen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie werkeln mit Antischaum und Quetschventilen, mit blubbernder, kupferner Gerätschaft, die Mini-Dampfmaschinen ähneln. In Austria ist es legal, in Hobby-Destillen bis zu zwei Litern Kesselvolumen Schnaps für den Privatgebrauch herzustellen. In Deutschland darf es nur ein halber Liter sein. So hockt die Genuss-Akademie für Rum, Whisky oder Gin halt einen Steinwurf hinter der Grenze in Tirol.

Whisky ist nicht gleich Whisky - die Auswahl ist riesig

Whisky ist nicht gleich Whisky – die Auswahl ist riesig

Hobby-Brenner mischen da Malz für die Maische aus mehreren Sorten Getreide. Die Fläschchen mit dem weiß aus der Maschine tropfenden Kornbrand werden mit Holzspänen geimpft und reifen in kurzer Zeit zu Whisky. Für die Verdünnung auf Trinkstärke gibt es eine Faustregel. Andreas Heiß: „Die beste Aroma-Wahrnehmung hat man zwischen 43 und 45 Volumen-Prozent Alkohol!“

Zwischen den Tannheimer Bergen und dem Falkensteinkamm verläuft die Vils. Sie kommt aus Pfronten, streift Tirol und mündet unterhalb der Stadt in den Lech, der durch eine kurze Klamm ins bayerische Füssen weiterfließt. Und in die Hopfensee-Highlands.

Christoph Thoma


Infos: Andreas Heiß www.genuss-akademie.tirol  bildet Whisky-Experten aus, die dann im Weisshaus bei Carla und Andreas Osler www.weisshaus-shop.de Spezialitäten kaufen und/oder bei Isabel Schmidt in der „Vitushöhle“ www.vitushoehle.de einkehren. Vier junge Leute, die ihre Nische gefunden haben, die sich kennen und in den Hopfensee-Highlands bei Füssen eine Leidenschaft teilen.